Zum Thema Armut und wer ist nun wirklich arm ?

18. April 2010

In einem Land, in dem die Menschen arm sind, aber trotzdem jeder mit einem Handy herumlaeuft und einen Fernseher hat… – an welcher Position steht da die Schulbildung?

Bis zum 15. April hatten die Eltern hier an der Schule Zeit, ihre 2. Rate fuer die Schulgebuehren ihrer Kinder zu bezahlen ( insgesamt gibt es vier Raten jaehrlich). Da dies in den letzten Jahre immer fuer Probleme sorgte, machte ich mich vorab daran, alle Kinder und deren bereits gezahlten Betraege zu ueberpruefen und mir vor allem alle Kinder einmal anzuschauen – abgesehen natuerlich von den ueber 60 Kindern, die bereits einen Sponsor haben. Somit verbrachte ich nun die gesamte Woche mit Computer, Zettelwirtschaft etc. in den Klassenzimmern und habe so meine Beobachtungen gemacht. Problem Nr. 1 waren erstmal die Namen der Kinder: Die Kinder erhalten hier meist einen wunderschoenen Vornamen wie z.B. Theodosius oder Deogratias, Boniphace, Cleophace, Benedicta, die Kinder islamischer Herkunft dann Mohamed, Rahim oder Ali. Die Maedchen haben sehr haeufig Namen wie Hope, Happiness, Gladness, Loveness oder dann auf Kisuaheli “Tumaini” (die Hoffnung), “ Upendo” (die Liebe), “Imani” (Friede). Kinder, deren Dasein auf diesem Erdball eher fragwuerdig ist, heissen dann bspw. “Shida” oder “Matatizo” ( das Problem), “Vumilia” ( das Leiden) oder Hazipo (nicht da!).

Hinzu kommt dann als Nachname der Vorname des Vaters und wir erhalten dann z.B. Namen wie Upendo Peter, Julius Samuel, Grace John etc. Hinzu kommen dann noch eventuelle Namen des Grossvaters oder eines Onkels, vor allem, wenn der Vater stirbt und es ergibt sich langsam ein Durcheinander. Schnell standen auf meiner Liste Namen wie “Kelvin Peter T. Henry” und dann gab es in der Klasse noch 4 Kelvins und somit die Frage: Wer ist nun wer? – Nun durften alle Kinder antreten und mir ihre Namen aufsagen… und gibt es noch einen Namen? Die Lehrer waren in dieser Situation nicht wirklich eine grosse Unterstuetzung, aber letztendlich fand ich doch fast alle Namen heraus.

Nun ging es weiter zur Befragung: Wo wohnst Du? – Hast Du Eltern? Was machen diese beruflich? Wieviele Geschwister hast Du etc.? – Schoen ist einfach, dass Kinder auf der ganzen Welt irgendwie immer ehrlich und geradeheraus sind und so fand ich ein Kind, dessen Vater ein Hafenoffizier ist, ein anderer als Arzt am Bugando arbeitet, ein weiterer die Radiostation in Mwanza leitet etc. und fand es hochinteressant, dass das zum Grossteil die Kinder waren, fuer die noch kein einziger Schilling bezahlt war. Natuerlich gab es auch viele Kinder, die mir erzaehlten, dass der Vater abgehaun ist und die Mutter alleine zu Hause sitzt und keine Arbeit hat, was natuerlich bei 4-6 Kindern schon ein Problem darstellt. Ein kleiner Junge fing sogar das Weinen an und dachte, er darf nun nicht mehr in die Schule gehen. Dies waren meist die Kinder, die ein wenig bezahlt hatten.

( Zum Hintergrund: Die Montessori-Schule ist eine private Schule und die Lehrer, Buecher, Essen etc. werden aus den Schulgebuehren finanziert. Die staatlichen Schulen mit ca. 150 Kindern pro Klasse sind offiziell kostenlos, dafuer muessen die Kinder ihre Schulbaenke bezahlen, Unterrichtsmaterial etc. und die Lehrer sind kaum anwesend, da alle Tuition geben und die Kinder somit zusaetzlich die Nachhilfestunden bei den Lehrern bezahlen muessen – auf das Schlagen an den Government-Schulen moechte ich gar nicht eingehen!).

Eine Konsequenz an allen Schulen hier im Land ist, dass die Kinder heimgeschickt werden, wenn die Eltern keine Gebuehren bezahlen und erst wieder in die Schule gehen koennen, wenn sie eine Quittung mitbringen. Ganz intelligent sind die, die dann nur die Examens-Gebuehren bezahlen und nur das Examen schreiben – aber ob das sinnvoll ist?

Gut, bezueglich der Zahlungsmoral sah es dann so aus, dass, als ich nach Hause kam, bereits viele Eltern Schlange vor dem Buero standen, um Schulgebuehren zu bezahlen. Hiermit haben wir die Kategorie “Eltern mit Geld – und nur die entsprechende Zahlungsmoral!”. Nun gibt es aber eine Masse an Frauen der Kategorie “Mann davongelaufen und eventuell nicht zahlungsfaehig?” – Dies ist meiner Meinung nach die schwierigste Klientel, da wir keine eindeutige Situation haben, wie z.B. bei den Aids-Waisen-Kindern, wo es klar ist, dass diese Kinder am dringendsten eine Unterstuetzung brauchen. – So, was machen wir nun mit der Mama, die auf der Strasse Bananen verkauft und deren Mann sich bereits mit anderen Damen vergnuegt und vielleicht noch Kind Nr. 7, 8 und 9 produziert? Manchmal kommt der Mann ja auch wieder zurueck und bringt der Frau noch eine Krankheit mit… dann haben wir das naechste Problem oder in absehbarer Zeit weitere Waisenkinder!

Es soll nun nicht zynisch klingen, aber die einzelnen Geschichten zu analysieren und abzuwaegen, wem man am besten womit helfen kann, ist haeufig sehr schwer. Gestern abend erschienen z.B. zwei Maenner am Gate und wollten mit Sr. Denise und mir reden. Der eine Mann kam mit dem Boot aus Bukoba (im Nordwesten, nahe der Grenze zu Uganda) nun nach Mwanza, da er hoerte, dass Sr. Denise armen Menschen hilft. Ja, nun habe er kein Haus mehr und keine Arbeit und moechte nun Unterstuetzung. Der andere Mann leerte seine Hosentaschen aus und meinte, er habe kein Geld und koennte nicht einmal mehr etwas zu essen kaufen. (Gut, er schien sowieso die fluessige Nahrung zu bevorzugen…) – und dann kam noch ein ehemaliger Schueler, der mich erinnerte, ich haette ihm einmal versprochen, ihm zu helfen und er haette jetzt gerne einen Computer, da er arm sei. Als ich ihm mitteilte, dass ihm das nie versprochen habe und ein Computer utopisch sei, meinte er, Gott werde mir schon meine Bezahlung geben, wenn ich ihm nicht helfe. – Gut.

… bevor ich mich weiter im Kreise drehe in der endlosen Frage um die Armut, stoppe ich besser hier, soviel jedenfalls zu der Armut hier an der Schule und meiner Frage, wer ist wirklich arm!

In diesem Sinne ein wunderschoenes Wochenende und sonnige Gruesse aus der Armut!

Steffie

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